Die Nieren sind unverzichtbare Organe, deren Bedeutung oft unterschätzt wird. Erst wenn sie nicht mehr richtig funktionieren und die Gesundheit darunter leidet, wird deutlich, welche wichtigen Aufgaben sie im Körper übernehmen. Neben dem Filtern des Blutes und der Ausscheidung schädlicher Substanzen sind die Nieren an der Regulierung lebenswichtiger Mechanismen beteiligt. Außerdem werden in der Niere verschiedene Hormone produziert, die dem Körper als Signalstoffe dienen. Erfahren Sie mehr über die vielfältigen Funktionen der Niere, die für unser körperliches Wohlbefinden so bedeutsam sind.
Die Entgiftungs- und Ausscheidungsfunktion der Nieren
Eine der wichtigsten Aufgaben der Nieren ist ihre Funktion als Filteranlage des Körpers. Sie reinigen das Blut permanent von Gift- und Abfallstoffen, die wir von außen aufnehmen oder die beim Stoffwechsel als Nebenprodukt anfallen. So verhindern die Nieren, dass sich schädliche Substanzen im Körper ansammeln und uns krank machen. Das Produkt der komplexen Filterprozesse ist der Harn, der die Abfallstoffe aus dem Körper transportiert.1
iStock-1413248255_fcafotodigital
Exkurs zu den Nierenwerten
Die Filterleistung der Nieren lässt sich anhand verschiedener Laborwerte bestimmen. Diese Werte werden mithilfe von Blut- und Urinproben kontrolliert. Sie helfen Ärzt*innen bei der Einschätzung, wie gut Ihre Nieren arbeiten. Zu den wichtigsten sogenannten Nierenfunktionsparametern gehören:1,2
- Kreatinin und Harnstoff: Diese beiden Stoffe sind Abbauprodukte, die stetig im menschlichen Körper anfallen und normalerweise über den Urin ausgeschieden werden. Hohe Werte im Blut können auf eine eingeschränkte Nierenfunktion hindeuten. Beide Werte werden in Deutschland in Milligramm pro Deziliter (mg/dl) angegeben. Kreatinin sollte bei Männern unter 1,1 mg/dl und bei Frauen unter 0,9 mg/dl liegen. Der Normalwert für Harnstoff liegt bei Männern und Frauen zwischen 12 und 50 mg/dl.1
- GFR: Die Abkürzung steht für glomeruläre Filtrationsrate. Sie gibt an, wie viel Blut die Nieren pro Minute filtern. Eine hohe GFR zeigt eine gute Filterleistung und damit eine gesunde Niere an, eine verminderte GFR weist auf eine eingeschränkte Nierenfunktion hin. Die GFR wird mithilfe einer mathematischen Formel geschätzt.3 Sie wird in Milliliter pro Minute pro 1,73 Quadratmeter Körperoberfläche (ml/min/1,73 m2 KOF) angegeben. Eine gesunde Niere weist eine GFR über 90 ml/min/1,73 m2 KOF auf, wobei die Normalwerte mit steigendem Alter abnehmen.1
- Kreatinin-Clearance: Um die GFR genauer zu ermitteln, kann man die Kreatinin-Clearance bestimmen. Sie zeigt an, wie viel Kreatinin pro Minute von den Nieren aus dem Blut gefiltert wird und dient als direkter Messwert für die Nierenfiltration. Die Bestimmung ist aufwendig, da neben einem Bluttest auch Urin über 24 Stunden gesammelt werden muss.3 Die Kreatinin-Clearance wird ebenfalls in Milliliter pro Minute pro 1,73 Quadratmeter Körperoberfläche (ml/min/1,73 m2 KOF) angegeben. Der Normalwert liegt für Frauen über 95 ml/min/1,73 m2 KOF und für Männer über 120 ml/min/1,73 m2 KOF.1
Mithilfe der glomerulären Filtrationsrate (GFR) lassen sich chronische Nierenkrankheiten in fünf Stadien einteilen.4 Die Einheit der GFR lautet Milliliter pro Minute pro 1,73 Quadratmeter Körperoberfläche (ml/min/1,73 m2 KOF):
- Stadium G1: Die GFR ist normal oder erhöht. Der Wert liegt bei 90 oder darüber.
- Stadium G2: Die Rate ist leicht vermindert und liegt zwischen 60 und 89.
- Stadium G3a: Die GFR ist leicht bis mäßig vermindert. Ihr Wert liegt zwischen 45 und 59.
- Stadium G3b: Die Rate ist mäßig bis stark vermindert und liegt zwischen 30 und 44.
- Stadium G4: Die GFR ist stark vermindert. Der Wert liegt im Bereich zwischen 15 und 29.
- Stadium G5: Die Rate liegt unter 15. Fachleute sprechen von Nierenversagen.
Die Nieren regulieren lebenswichtige Körperfunktionen
Die Nieren erfüllen nicht nur eine wichtige Entgiftungsfunktion im Körper, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Regulierung verschiedener Körpermechanismen.
Kontrolle des Flüssigkeitshaushalts durch die Nieren
Normalerweise nehmen die Nieren 99 Prozent des von ihnen gefilterten Wassers wieder auf. Je nach Flüssigkeitsstatus des Körpers können sie die Wiederaufnahme von Wasser anpassen und beispielsweise überschüssige Flüssigkeit ausscheiden. Bei erhöhtem Flüssigkeitsbedarf halten die Nieren vermehrt Wasser zurück, um dem Körper ausreichend Flüssigkeit zur Verfügung zu stellen.1,5
Experten-Finder
Sie suchen Expert*innen zur Behandlung Ihrer seltenen Nierenerkrankung? Unser Experten-Finder kann Ihnen helfen, Spezialzentren in Ihrer Nähe zu finden, die Betroffene von seltenen Nierenerkrankungen betreuen. Geben Sie einfach Ihre Postleitzahl und Ihren Wohnort im Suchfeld ein.
iStock-1140828812_Rawf8
Blutdruckregulierung durch die Nieren
Eine weitere Funktion der Nieren ist die Blutdruckregulation. Dieser Prozess erfolgt über zwei unterschiedliche Mechanismen: Zum einen können die Nieren über die Wasserausscheidung die Menge an Blutflüssigkeit in den Blutgefäßen regulieren und damit den Blutdruck erhöhen oder senken. Zum anderen bilden sie den Signalstoff Renin, der an der Regulation des Blutdrucks beteiligt ist.1,5
iStock-923681856_PeopleImages
Steuerung des Elektrolythaushalts durch die Nieren
Elektrolyte sind Salze, die an verschiedenen Körperfunktionen beteiligt sind. Die Nieren helfen dabei, den Elektrolythaushalt in einem gesunden Gleichgewicht zu halten. Sie scheiden überschüssige Elektrolyte aus oder halten sie bei Bedarf zurück.1,5
Alles in Balance? Unsere Nieren leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, das Säure-Base-Gleichgewicht des Körpers aufrechtzuerhalten. Für unser Blut liegt der normale pH-Wert zwischen 7,35 und 7,45, ist also leicht basisch.
Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts durch die Nieren
Für einen reibungslosen Ablauf unseres Stoffwechsels ist ein stabiles Gleichgewicht zwischen Säuren und Basen im Blut entscheidend. Um dieses Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, muss der Körper überschüssige Säuren und Basen neutralisieren und entfernen. Neben den Lungen übernehmen auch die Nieren diese wichtige Funktion und scheiden je nach Bedarf überschüssige Säuren aus beziehungsweise halten Basen zurück, die der Körper gerade benötigt.1,5
Produktion von Hormonen durch die Nieren
Die Nieren sind auch Produktionsort wichtiger Hormone, die dem Körper als Signalstoffe dienen. Neben Hormonen zur Blutdruckregulierung produzieren die Nieren Erythropoetin (EPO). Erythropoetin fördert die Bildung roter Blutzellen, die den Sauerstofftransport im Blut gewährleisten. Außerdem wandeln die Nieren das hormonähnliche Vitamin D in seine aktive Form um. Vitamin D reguliert wiederum den Kalziumhaushalt und den Knochenstoffwechsel.1,5
iStock-1492439504_ktsimage
Es zeigt sich: Die Niere erfüllt viele wichtige Funktionen. Ist eine Niere aufgrund einer Erkrankung schwer geschädigt oder beeinträchtigt, kann zwar oftmals noch die andere Niere die fehlende Filterleistung übernehmen. So stellt der Körper sicher, dass die lebenswichtigen Funktionen der Nieren erhalten bleiben.6 Bei systemischen Erkrankungen ist das aber nicht möglich, da sie in der Regel die Funktion beider Nieren beeinträchtigen. Systemische Krankheiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein gesamtes Organsystem (etwa das Blut) befallen und nicht auf eine Körperregion beschränkt sind.
Die Funktionen der Niere im Überblick
Die Niere übernimmt derart viele Aufgaben, dass schnell der Überblick verloren gehen kann. Zur besseren Übersicht haben wir in der Grafik unten die wichtigen Funktionen des Multitalents für Sie zusammengestellt. Die folgenden Abbildungen verdeutlichen auch, welche Folgeerscheinungen möglich sind, wenn die Niere ihren Aufgaben nicht nachgehen kann. Sind Entgiftungs- und Ausscheidungsfunktionen gestört, drohen zum Beispiel Müdigkeit und Gefäßschäden.7 Kann die Niere etwa infolge einer Erkrankung den Flüssigkeitshaushalt nicht mehr kontrollieren, sind Wassereinlagerungen möglich.7 Kranke Nieren können zudem oftmals den Elektrolythaushalt und Blutdruck nicht mehr regulieren. Es drohen Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck.7 Ist die Niere nicht mehr dazu in der Lage, das Säure-Basen-Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, kommt es zur Übersäuerung in Blut und Gewebe.8 Dann sind Störungen im Muskel- und Knochenstoffwechsel möglich.9 Werden nicht ausreichend Hormone wie Vitamin D und Erythropoetin von der Niere aktiviert und produziert, können Osteoporose (Knochenschwund) und Blutarmut die Folge sein.7
Visualisierung der Niere in der App Insight Kidney
Sie haben auf dieser Webseite vieles über seltene Nierenerkrankungen und den Aufbau/Funktion der Nieren erfahren. Dennoch bleibt es eventuell schwierig, sich vorzustellen, wie die Nieren tatsächlich aussehen, was genau in unserem Körper vor sich geht und wie die Erkrankungen entstehen. Um dies zu veranschaulichen, können Sie sich über Ihren App-Store ganz einfach die App Insight Kidney herunterladen. Ändern Sie anschließend über die rechte Navigationsleiste „More“ und „Language“ die Sprache der App auf Deutsch. Sie haben dann die Möglichkeit, die Anatomie der Nieren genauer zu betrachten. Zudem können Sie sich den Unterschied zwischen gesunden Nieren und erkrankten Nieren ansehen, die von einer seltenen Nierenerkrankung wie IgAN, C3G oder aHUS betroffen sind.
Novartis
Novartis
Das könnte Sie auch interessieren:
iStock-1140828812_Rawf8
Experten-Finder
Sie suchen Expert*innen für seltene Nierenerkrankungen in Ihrer Region? Unser Experten-Finder hilft Ihnen weiter.
iStock-1359120337_peakSTOCK
C3-Glomerulopathie verstehen
Ursachen, Entstehungsmechanismen und Verlaufsformen einer sehr seltenen Nierenerkrankung – C3G einfach erklärt.
iStock-1317081272_peakSTOCK
IgA-Nephropathie verstehen
Eine chronische Nierenerkrankung mit komplexen Entstehungsmechanismen – IgAN einfach erklärt.
Quellen
1. Keller CK, Geberth SK. Praxis der Nephrologie. 3. Auflage. Springer Verlag; 2010.
2. Internisten im Netz. Nierenschwäche (chronisch): Untersuchungen & Diagnose. https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/nierenschwaeche-chronisch/untersuchungen-diagnose.html, letzter Aufruf am 04.12.2023.
3. Dimitrios T, Binet I. Beurteilung der Nierenfunktion: Plasmakreatinin, Harnstoff und glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Swiss Medical Forum. 2006;06(18):414-419. doi: 10.4414/smf.2006.05853, letzter Aufruf am 04.12.2023.
4. Eckardt KU. Binet I, de Groot K, et al. Nomenklatur für Nierenfunktion und Nierenkrankheiten – Durch Präzision und Verständlichkeit zu besserer Erfassung und Prognose. Dtsch Med Wochenschr. 2022 Oct; 147(21): 1398–1406. doi: 10.1055/a-1908-5163, letzter Aufruf vom 04.12.2023.
5. Internisten im Netz. Funktion der Niere. https://www.internisten-im-netz.de/fachgebiete/niere-harnwege/aufbau-und-funktion/funktion-der-niere.html, letzter Aufruf am 04.12.2023.
6. Universität Heidelberg. Braucht der Mensch zwei Nieren? https://www.uni-heidelberg.de/uni/presse/RuCa1_96/kriz.html, letzter Aufruf am 04.12.2023.
7. Deutsche Nierenstiftung. Aufklärungsplakate. https://www.nierenstiftung.de/fuer-mediziner/aufklaerung/aufklaerungsplakate/, letzter Aufruf am 22.02.2024.
8. gesund.bund.de. Azidose. https://gesund.bund.de/azidose, letzter Aufruf am 22.02.2024.
9. Deutsches Ärzteblatt. Metabolische Azidose bei Niereninsuffizienz: Überschüssige Säure durch neuartiges Wirkprinzip entfernt, nicht nur neutralisiert. https://www.aerzteblatt.de/archiv/206913/Metabolische-Azidose-bei-Niereninsuffizienz-Ueberschuessige-Saeure-durch-neuartiges-Wirkprinzip-entfernt-nicht-nur-neutralisiert, letzter Aufruf am 22.02.2024.