Eine der Hauptaufgaben der Nieren ist ihre Filterfunktion. Sie sorgen dafür, dass wichtige Stoffe wie Eiweiße im Blut bleiben. Außerdem stellen die Nieren sicher, dass – wenn überhaupt – nur geringe Mengen dieser Stoffe in den Urin gelangen.1 Sind die Nieren jedoch geschädigt und können nicht mehr ihrer Filterfunktion nachgehen, kann sich vermehrt Eiweiß im Urin ansammeln.1 Mediziner*innen sprechen dann von einer Proteinurie. Bei Betroffenen besteht ein erhöhtes Risiko für weitere Nierenschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einen Schlaganfall.1,2Erfahren Sie mehr über die Ursachen, Diagnose, Symptome und Behandlung der Proteinurie.
Ursachen einer Proteinurie
Hinter einer Proteinurie können viele Ursachen stecken und nicht alle davon sind bedenklich. Mediziner*innen unterscheiden zwischen Auslösern, die dauerhaft zu hohen Eiweißmengen im Urin führen, und solchen, die nur kurzzeitig eine Proteinurie verursachen.3
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Ursachen für dauerhaft erhöhte Eiweißmengen im Urin
Zu den Faktoren, die permanent zu einem hohen Eiweißgehalt im Urin führen können, gehören:3,4,5
- Nierenerkrankungen wie die IgA-Nephropathie und C3-Glomerulopathie
- nephrotisches Syndrom (Reihe von Symptomen, die infolge der Schädigung der Filtereinheiten in den Nieren auftreten)
- Faktoren, die das Risiko für eine Nierenerkrankung erhöhen, wie:
- Diabetes mellitus
- hoher Blutdruck
- Herzschwäche
- Amyloidose (Erkrankung, bei der sich bestimmte Eiweiße im Körper anreichern)
- bestehende Schwangerschaft (danach normalisiert sich die Eiweißmenge wieder)
- Präeklampsie (eine Form von Bluthochdruck, die während der Schwangerschaft auftritt)
Ursachen für kurzzeitig erhöhte Eiweißmengen im Urin
Zu den Auslösern eines kurzzeitig hohen Eiweißgehalts im Urin zählen:3
- Dehydrierung (zu wenig Wasser im Körper)
- hoher Stress
- Aufenthalt in sehr kalten Umgebungen
- Fieber
- hochintensive körperliche Aktivität
Wichtig: Erhöhte Proteinwerte bedeuten nicht immer, dass die Nieren ernsthaft geschädigt sind.4 In der Regel wiederholen Mediziner*innen den Test auf Eiweiße, um zwischen chronischen (langfristigen) Nierenschäden und vorübergehender (kurzfristiger) Belastung der Nieren unterscheiden zu können.4
Symptome einer Proteinurie
Sind die Nieren nur leicht geschädigt und im Urin nur geringe Mengen Eiweiß zu finden, treten zumeist keine Symptome auf.3 Eine Proteinurie wird daher häufig zufällig bei einer routinemäßigen Untersuchung des Urins festgestellt.6 Bei stärkeren Nierenschäden und einem hohen Eiweißgehalt im Urin können sich neben schaumigem oder sprudelndem Urin weitere Symptome wie Schwellungen an Füßen, Händen, Bauch oder im Gesicht bemerkbar machen.3
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Tritt die Proteinurie gleichzeitig mit einer Hämaturie (Blut im Urin) auf, handelt es sich um einen sogenannten nephrologischen Notfall. Der Urin kann dann schaumig und zudem braun oder dunkler als üblich gefärbt sein. In diesem Fall ist eine ärztliche Abklärung dringend erforderlich.7
Diagnose einer Proteinurie
Ärzt*innen können Eiweiß im Urin mit speziellen Teststreifen auf die Schliche kommen. Diese Methode dient meist einer ersten Einschätzung.8 Bei einem auffälligen Testergebnis können Mediziner*innen eine präzisere Methode zur Diagnose der Proteinurie heranziehen.8 Der Urin wird dann über 24 Stunden hinweg gesammelt und die Menge an Proteinen bestimmt.8 Bei gesunden Erwachsenen finden sich im Urin weniger als 150 Milligramm Protein pro Tag.9 Mediziner*innen sprechen von einer physiologischen, also einer normalen beziehungsweise gesunden Proteinurie.9 Bei einem höheren Wert ist eine weitere Abklärung nötig, um die zugrunde liegende Ursache dieser krankhaften Proteinurie zu identifizieren.5
Eine Herausforderung: Die Methode zum Sammeln des Urins ist zwar sehr genau, jedoch aufwendig.5,10 Es gibt aber eine einfachere Alternative, um das Ausmaß der Proteinurie zu berechnen: die Bestimmung des Protein-Kreatinin- oder des Albumin-Kreatinin-Quotienten aus einer einzigen Urinprobe. Sie wird vorzugsweise am frühen Morgen genommen.5
Protein-Kreatinin-Quotient (Eiweiß-Kreatinin-Quotient)
Mediziner*innen berechnen den Protein-Kreatinin-Quotienten (auch Eiweiß-Kreatinin-Quotient), indem sie das Verhältnis zwischen der Menge an Proteinen im Urin und der Menge an Kreatinin im Urin bestimmen.11 Zur Erinnerung: Gesunde Nieren lassen keine oder nur sehr wenige Proteine aus dem Blut in den Urin gelangen, zudem scheiden sie normalerweise das Kreatinin über den Urin aus.11 Mithilfe des Quotienten lässt sich daher überprüfen, wie gut die Filterfunktion der Nieren ist, also wie wenig Protein sie im Vergleich zum Kreatinin in den Urin lassen.11 Ein normaler Protein-Kreatinin-Quotient liegt bei weniger als 150 Milligramm (mg) Eiweiß/Gramm (g) Kreatinin.11 Ein höherer Quotient kann ein Zeichen für eine Proteinurie sein.11
Albumin-Kreatinin-Quotient
Mediziner*innen können außerdem das Verhältnis von Albumin und Kreatinin im Urin bestimmten. Denn: Albumin ist bei den meisten Nierenerkrankungen die Hauptkomponente des Proteins im Urin.12 Über den Albumin-Kreatinin-Quotienten lässt sich ermitteln, ob zu viel dieses Proteins im Urin vorhanden ist. Ärzt*innen sprechen dann von einer Albuminurie – einer bestimmten Form der Proteinurie. Das Protein Albumin kommt normalerweise im Blut vor und spielt zum Beispiel als Transportprotein eine wichtige Rolle.13 In der Regel liegt der Albumin-Kreatinin-Quotient bei gesunden Menschen bei weniger als 30 mg Albumin/g Kreatinin.11
Übrigens: Bei Bedarf können Patient*innen mit Nierenerkrankungen zwischen den Untersuchungsterminen zu Hause mit Urinteststeifen (auch Urinstix genannt) die Eiweißmenge im Blick behalten. Besprechen Sie mit Ihrem Behandlungsteam, ob das in Ihrem Fall ratsam ist.
Die Leitlinien zu chronischen Nierenerkrankungen empfehlen die Ermittlung des Albumin-Kreatinin-Quotienten, um das Ausmaß der Proteinurie zu bestimmten. Denn: Bei einer niedrigen Menge an Proteinen im Urin erfasst dieser Quotient die Proteinurie zuverlässiger als der Protein-Kreatinin-Quotient.14
Mediziner*innen unterscheiden eine Proteinurie nicht nur nach der Dauer, sondern auch nach den zugrunde liegenden Ursachen. Dabei hilft ihnen ein labormedizinisches Verfahren mit dem Namen Disk-Elektrophorese.15 Die Methode dient dazu, die im Urin befindlichen Proteine noch genauer zu untersuchen und zum Beispiel ihre Größe zu ermitteln, was Rückschlüsse auf den Auslöser der Proteinurie zulässt. Ein Beispiel: Bei der sogenannten glomerulären Proteinurie ist die Ursache eine Fehlfunktion der Glomeruli (Nierenkörperchen).16 Typisch für diese Form ist das Auftreten von größeren Proteinen, zu denen auch das Albumin zählt.15
Wichtig: Je nach Ergebnis der Urinuntersuchung auf Eiweiße können weitere Diagnoseschritte erforderlich sein. Etwa Bluttests und manchmal auch eine Nierenbiopsie.
Eine unbehandelte Proteinurie steht in engem Zusammenhang mit einem fortschreitenden Verlust der Nierenfunktion und kann zu einem Nierenversagen führen.17 Häufig entsteht ein Teufelskreis: Die Proteinurie führt zu stärkeren Nierenschäden und die Proteinurie nimmt zu.18 Zudem steht schon eine gering ausgeprägte Proteinurie mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen wie einem Schlaganfall oder einer koronaren Herzerkrankung (KHK) in Verbindung.18 Bei der KHK sind die Adern verengt, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen.19 In der Folge sind Beschwerden wie Schmerzen in der Brust möglich. Zudem kann die KHK weitere Herzkrankheiten wie eine Herzschwäche oder einen Herzinfarkt nach sich ziehen.
Behandlung der Proteinurie
Das Hauptziel der Behandlung besteht darin, das Gesamtrisiko für die Entwicklung der oben genannten Komplikationen zu senken.4 Die eine Therapieoption gibt es bei erhöhten Eiweißmengen im Urin nicht. Die Behandlung richtet sich nach der jeweiligen Ursache der Proteinurie.4,5 Liegt ihr ein Diabetes mellitus zugrunde, werden Ärzt*innen den Blutzucker bestmöglich einstellen, um Schädigungen an den Nieren zu verlangsamen.3 Ist ein erhöhter Blutdruck der Auslöser der Proteinurie, setzen Mediziner*innen auf blutdrucksenkende Arzneistoffe.20 Sie können darüber hinaus Medikamente verordnen, die sowohl den Blutdruck senken als auch direkt in den Nieren wirken und dort den Druck auf die Glomeruli (Filter in der Niere) minimieren.4 Bei Bedarf raten Ärzt*innen außerdem zu einer eiweißarmen Ernährung, um die Nieren zu schonen.18 Wichtig zu wissen: Eine Proteinurie infolge von intensiver Anstrengung, starkem Stress oder Fieber bedarf in der Regel keiner Behandlung und bildet sich von allein zurück.21
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Quellen
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- National Kidney Foundation. Diseases and conditions: Albuminuria and proteinuria. Kidney disease and albuminuria/proteinuria. https://www.kidney.org/sites/default/files/kidney_disease_and_albuminuria-proteinuria.pdf, letzter Aufruf am 14.06.2024.
- American Kidney Fund. Protein in Urine (Proteinuria) Causes, Symptoms, Tests & Treatments. https://www.kidneyfund.org/all-about-kidneys/other-kidney-problems/protein-urine, letzter Aufruf am 14.06.2024.
- National Kidney Foundation. Albuminuria (proteinuria). https://www.kidney.org/atoz/content/albuminuria-proteinuria, letzter Aufruf am 12.06.2024.
- Haider MZ, Aslam A. Proteinuria. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK564390/, letzter Aufruf am 14.06.2024.
- Dendorfer U, Anders HJ, Schlöndorff D. Urindiagnostik: Proteinurie. Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(46): 1310-1313. doi: 10.1055/s-2001-18467, letzter Aufruf am 14.06.2024.
- AMBOSS. Proteinurie. https://www.amboss.com/de/wissen/proteinurie/, letzter Aufruf am 14.06.2024.
- Nierenschwäche (chronisch): Untersuchungen & Diagnose. Internisten im Netz. https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/nierenschwaeche-chronisch/untersuchungen-diagnose.html, letzter Aufruf am 14.06.2024.
- Pschyrembel. Proteinurie. https://www.pschyrembel.de/Proteinurie/K0HUR, letzter Aufruf am 14.06.2024.
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